Der französische Kammerchor "Choeur de Grenelle" aus Paris hat, so steht es auf dem Programmzettel,
zwei Ziele: "musikalisches Schaffen von hoher Qualität durch ein geselliges Miteinander".
Bei dem Konzert in der Rosenkranzkirche im Rosenheimer Ortsteil Fürstätt - zuvor hatte schon
eines in Törwang stattgefunden - war zu hören und zu sehen, dass beide Ziele erreicht worden sind.
Der sehr junge, aus 20 Sängern bestehende Chor präsentierte sich überaus sympathisch und war
so höflich, die Begrüßung auf Deutsch zu halten. Über sehr herzlichen Beifall der vielen Zuhörer
reagierten sie ehrlich erfreut. Und dass alle "gesellig miteinander" agieren, sah und spürte man.
Auch gastfreundlich sind sie: Als Benedikt Linder, Sohn des Nußdorfer Orgelbauers Alois Linder,
in Paris studierte und Choranschluss suchte, fand er ihn beim "Choeur de Grenelle" und war so
begeistert, dass er einen Besuch des Chors in Nußdorf organisierte: deutsch-französische
Freundschaft nach Noten.
Gegründet wurde der Chor 2007 von der jungen, sehr aparten Dirigentin Alix Debaeker.
Sie dirigiert sehr gestenreich-zupackend, höchst temperamentvoll und suggestiv und versteht
es durchaus, dass alle Augen ständig auf sie gerichtet sind. Ihr Chor klingt so, wie er sich
präsentiert: jung, frisch, sehr natürlich und unangestrengt, ausgeglichen und homogen in allen
Lagen und Höhen, reaktionsschnell, rund und voll und mit großer dynamischer Bandbreite.
Den Mitgliedern ist die Freude am Singen immer anzusehen und zu hören, dass alle von einer
gemeinsamen Stimmbildnerin geschult sind, die auch unter den Zuhörern saß:
Professorin Gisèle Fix.
Die Motetten aus der französischen Renaissance bewiesen es: Homogenität, unangestrengte
Tongebung und deutliche Agilität prägten ihre Darbietung - vor allem in der schnellen Motette
"Quand mon mari vient de dehors" von Orlando di Lasso, die beschreibt, wie ein Mann seine Frau
schlägt -, und in der humorvollen Motette "La, la, la, je ne lose dire" von Pierre Certon über
das Ratschen. Der Chor ließ aber auch genau ausgehorchte Akkorde in vier Chorstücken von
Camille SaintSaëns und Francis Poulenc schweben.
Mit der "Missa quatuor vocibus" stellen die Franzosen einen bei uns völlig unbekannten
Komponisten aus dem 18. Jahrhundert vor: Nicolas Pacotat. Dessen Messe ist rein homophon gehalten
und bringt erst im Agnus Dei komplexere Harmonien.
Am Schluss vereinigten sich, nun unter Leitung von Michael Gartner, im "geselligen Miteinander"
der Choeur de Grenelle und das Junge Ensemble des Chorkreises St. Quirinus für das Gloria von
Vivaldi: So entstand ein kompakt-strahlender Chorklang, der mühelos das kleine Orchester übertönte,
im "Et in terra pax" ein machtvoll zwingendes Crescendo ermöglichte und im "Gratias" eine dezidiert leuchtende Fuge.
Alix Debaeker bewies dabei, dass ihr Gesangsstudium bei Gisèle Fix erfolgreich war:
sie harmonierte aufs Beste mit der stilsicheren, lyrisch ausdrucksstarken und wendigen Sopranistin
Christine Oswald, und die Altistin Luitgard Hamberger sang innig die "Domine-Deus"-Arie.
Die Zuhörer in der vollen Rosenkranzkirche wollten die Sänger nicht ohne Zugabe entlassen;
diese antworteten mit dem schlicht und schön gesungenen "Ave verum" von Mozart.
von Rainer W. Janka, OVB vom 18.08.2012